Der kleine Stern
von Conny Cremer
Dem kleinen Stern war langweilig.
Erst drehte er sich um seine eigene Achse und dann machte er einen Purzelbaum.
So hatte er einen anderen Blick und schaute jetzt in Richtung Erde.
Zu seinen Nachbarsternen war es so weit, dass sie sich nur per Blinkzeichen mit einander verständigten, aber das war auf Dauer auch langweilig.
So schaute der kleine Stern traurig zur Erde und fand, es sei doch ganz egal, ob er am Himmel stände oder nicht. Bei der Menge an Sternen würde sein Fehlen bestimmt nicht auffallen. Warum war er denn überhaupt da, wenn es keinem auffiele, wenn er weg wäre?
Die Erde war anders, als die anderen Sterne. Sie war ein Planet und auf ihr soll es sogar Lebewesen geben. Das hatte er zumindest gehört. Es wäre doch bestimmt toll, wenn er sich das selbst ansehen könnte, würde ja nicht auffallen, wenn er vom Himmel verschwände.
Aber wie sollte er zur Erde gelangen?
Der kleine Stern überlegte und überlegte. Dann blinkte er nach rechts, links, oben und unten seine Kollegen an und bat um Hilfe für sein Problem.
Alle anderen Sterne antworteten blinkend und rieten dem kleinen Stern ganz stark davon ab zu versuchen zur Erde zu kommen. Sie behaupteten, dass er dann verglühen und sterben würde. Und überhaupt würde er dann nicht mehr zurück können, da waren sich alle einig. Aber wie er überhaupt vom Himmel fallen sollte, dazu hatte keiner eine Idee.
So probierte der kleine Stern einfach aus, was er sich selbst überlegt hatte, denn wenn keiner wusste, wie ein Stern vom Himmel fiel, dann wusste auch keiner, ob er wirklich verglühen und sterben würde.
Also begann der kleine Stern immer schneller sich zu drehen und Purzelbäume zu schlagen. Und als ihm beinah schwindelig war, bemerkte er, dass er an seinem Platz zu wackeln begann. Aus dem Wackeln wurde ein Schwingen und auf einmal verlor er den Halt und stürzte purzelnd und drehend in Richtung Erde.
Im selben Moment, als der kleine Stern begann vom Himmel zu fallen, schaute ein kleines Mädchen in den Sternenhimmel und begann entsetzt aufzuschreien. Sie liefe schnell aus ihrem Zimmer zu den Eltern, die in der Küche mit dem Abwasch beschäftigt waren.
„Papa, Mama, schnell. Da ist gerade ein Stern vom Himmel gefallen. Den müssen wir suchen, denn der muss doch wieder nach oben.“
Der Vater sah gutmütig zu seiner Tochter und meinte: „Liebes, das war nur eine Sternschnuppe, die über den Himmel gezogen ist. Da hättest du dir was wünschen können.“
„Nein, nein, “ rief das Kind. „Es war keine Sternschnuppe. Es war ein Stern und der fehlt jetzt am Himmel.“ Sie lief zum Fenster und zeigt hinauf in den Himmel. „Schau Papa, da oben war der Stern und jetzt ist sein Platz leer. Bitte, wir müssen ihn suchen gehen.“
Der Vater trat ans Fenster und irgendwie schien die Stelle, auf die seine Tochter deutete, tatsächlich seltsam leer zu wirken. Obwohl er nicht glaubte, das ein Stern vom Himmel gefallen war, wollte er seiner Tochter den Gefallen tun und mit ihr einen kurzen Spaziergang machen.
So zogen sich Vater und Tochter dicke Stiefel, Jacke, Mütze und Handschuhe an, denn es war am Abend kalt geworden. Und als sie an der Türe raus gingen nahm der Vater noch seine Taschenlampe und steckte sie ein.
Kaum auf der Straße rief die Kleine aufgeregt: „Schau da Papa, da leuchtet es im Wald. Da ist der Stern bestimmt hingefallen.“ Und tatsächlich sah man einen Feuerschein aus dem nahe gelegenen Wald leuchten. Also machten sich Vater und Tochter schnellen Schrittes Richtung Licht. Als sie am Waldrand ankamen schaltete der Vater seine Taschenlampe ein und beleuchtete den Weg, den die Beiden Richtung Lichtschein nahmen.
Es viel auf, das der Schein, wie bei einem Feuer, zuckte und flackerte.
Schnelle waren die Beiden durch Gestrüpp und Unterholz gedrungen und standen plötzlich an einer kleinen Mulde, die wundersames auftat.
Sie sahen, wie ein kleines Häschen vorsichtig mit der Nase an das Licht stupste, was zuckend auf dem Boden lag und sich merkwürdig bewegte. Sie traten vorsichtig näher und da sahen sie ihn, den kleinen Stern, der verzweifelt versuchte sich auf eine oder zwei seiner Spitzen aufzurichten. Und dabei schien ihm das Häschen helfen zu wollen, zuckte aber immer schnell zurück sobald es den Stern berührte. Als das Häschen die beiden Menschen bemerkte, zog es sich schnell ein wenig ins Unterholz zurück, blieb aber dort sitzen.
„Papa, wir müssen dem Stern helfen. Er kann alleine nicht mehr zurück und hier kann er doch nicht bleiben.“ Die Worte seiner Tochter brachten den völlig verwirrten Vater in die Wirklichkeit zurück, denn was er da sah, das konnte er nicht glauben. Da lag wirklich ein kleiner Stern, versuchte wieder auf zu kommen und ein Hase hatte helfen wollen.
„Was soll ich denn machen?“ fragte der Vater laut, denn er hatte selbst keine Ahnung. Er schaute zum Himmel und jetzt sah er es genau. Da war ein Platz am Himmel, der war leer und die anderen Sterne standen viel weiter auseinander, als man es sonst so kannte. Ja, hier lag der gefallene Stern, der doch eigentlich an den Himmel gehörte. Dort leuchtete er und machte die Nacht heller. Dorthin sahen die Menschen und entließen ihre Träume in den Himmel.
„Du musst ihn wieder nach oben werfen“, hörte er die Antwort seiner Tochter.
„Aber so hoch kann ich doch gar nicht werfen“, erwiderte der Vater. „Aber versuchen musst du es. Schau, der Stern wird schon immer schwächer. Er bewegt sich weniger und sein Licht scheint nicht mehr so hell.“
Seine Tochter hatte recht. Es war merklich dunkler geworden und um den Stern schmolz der Schnee.
Beherzt ging der Vater auf den kleinen Stern zu und umfasste in vorsichtig mit seiner behandschuhten Hand. Er spürte sofort die Hitze, die der Stern immer noch ausstrahlte und wusste, warum das Häschen mit seiner zarten Nase, den Stern nicht hatte weiter berühren können.
„Ich gebe mein Bestes, aber ich kann nur anfangen, den Rest des Weges musst du selber schaffen“, sagte er zum Stern und fing an, seinen Arm zu schwingen um möglichst viel Kraft in den Wurf legen zu können. Und als er genug Schwung hatte, öffnete er die heiß glühende Hand und warf den Stern kraftvoll in Richtung Himmel.
Der kleine Stern hatte alles verstanden, was Vater und Tochter gesagt hatten. Und auch die Hilfe des Hasen hatte ihm ganz deutlich etwas gesagt: Ein Stern gehört an den Himmel und dort ist er wichtig und hat seine Aufgaben. Und egal, wie viele es gab, jeder einzelne Stern zählte. Das wusste er jetzt. Und als er mit Schwung in den Himmel geworfen wurde begann er sich zu drehen und wenden, um schneller zu werden. Er nahm allmählich Fahrt auf und gewann an Höhe. Und als es fasst mit dem Mond zusammen gestoßen wäre fühlte er einen Hauch, der ihn ganz unvermittelt an seinen verlassenen Platz katapultierte. Dort blieb er wackelnd und zitternd stehen und beruhigte sich ganz allmählich.
Vater und Tochter schauten in den Himmel, dem Stern hinterher. Und auch das Häschen hatte seine Nase aus dem Dickicht gesteckt.
Der Stern sah zu ihnen hinunter. Dann leuchtete er einmal besonders hell auf, wurde dunkel und blinkte dann kurz bevor er wieder normal im Licht erstrahlte.
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Papa muß Weihnachten... (für einen Senioren-Weihnachtsabend verfasst)
Tja, was war passiert? So ganz genau wusste das Gabriel selbst nicht. Und genau erklären konnte er es genau so wenig, wie selbst genau verstehen was mit ihm heute passiert war. Er fühlte sich ein bisschen in das Charles Dickens-Märchen „Scrooge“ versetzt, wenn er an den heutigen Nachmittag zurück denkt.
©http://www-weihnachten.de/weihnachtsgeschichten/der-kleine-stern.htm
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